Analyse am laufenden Band

Einigen seiner US-Kunden machte ein deutscher Druckmaschinenhersteller jüngst ein verlockendes Angebot: Wir optimieren die eingesetzten Anlagen – und das völlig umsonst. Der Deal: Werden Einsparungen erreicht, teilen sich Kunde und Hersteller den Betrag. Nach guten Erfahrungen könnte dieses Geschäftsmodell in Zukunft breiter angeboten werden.

Eine Big-Data-Analyse ist der Schlüssel für solche Kundenpflege: Indem der Hersteller die Kennzahlen seiner Maschinen im Einsatz durchleuchtet, von der Auslastung bis zum Verschleißverhalten, werden Vergleiche möglich. Darauf basieren die Optimierungsvorschläge.

„Das kann man nur anbieten, wenn man selbst sehr genau den Zustand der Maschine beurteilen und die Optimierungspotenziale abschätzen kann“, sagt Henrik Oppermann, Entwicklungsleiter der USU Software AG. Mit Industrie- und Forschungspartnern erarbeitet sie eine Analyseplattform im Maschinenbau.  Gefördert wird dies durch eine Smart-Data-Initiative des Bundeswirtschaftsministeriums.

Weg von der blinden Sammelei, hin zum Präzisionsinstrument: Big Data ist kein Nischenthema mehr. Drei Viertel aller Firmen haben laut einer aktuellen Umfrage des Marktforschungsinstituts Gartner in ein Analyseprojekt investiert oder planen dies in naher Zukunft. Immer mehr Anbieter solcher Tools drängen auf den Markt, manche versprechen eine einfache Integration über Cloud-Technologie. Ein Selbstläufer ist die Vision von der datengestützten Unternehmensführung jedoch nicht: „Die Instrumente sind da, aber sie müssen individuell an die Situation und an die Daten beim jeweiligen Unternehmen angepasst werden“, sagt Oppermann.

Das Problem ist dabei nicht, die Daten zu generieren. Moderne Anlagen stellen im Überfluss Informationen über ihren aktuellen Zustand bereit. „Es ist besser, auch Daten zu produzieren, die erst mal nicht genutzt werden, und sich dann Szenarien zu überlegen“, sagt Oppermann. Die Informationen stehen zur Verfügung, wenn die Technik neue Nutzungsideen erlaubt. Im Fall des Druckmaschinenherstellers etwa werden erst zwölf Prozent der anfallenden Daten analysiert und genutzt.

Wichtig ist das Abstecken von Zielen. „Wenn man ein Big-Data-Projekt ohne eine klare Zielrichtung startet, wird es auch keine brauchbaren Ergebnisse liefern“, sagt Vincenzo Chiochia, der das Big-Data-Team bei der IT-Beratung Accenture leitet. Wichtig sei es, Vertreter aller wichtigen Unternehmensbereiche an einen Tisch zu bringen.

So weiß der Kundendienst, wo es hakt, die Produktion weiß um realistische Anpassungsmöglichkeiten – und die IT kennt oft die Daten, weiß aber nicht immer um deren Aussagekraft. „Manchmal erkennt man den Wert der Daten innerhalb einer Firma erst, wenn man sie in die richtigen Zusammenhänge stellt“, sagt Chiochia.

Laut Gartner-Umfrage wurden im vergangenen Jahr Big-Data-Vorhaben erstmals zu gleichen Teilen von IT- und Geschäftsverantwortlichen angestoßen. Kleinere Projekte liefern erste Einblicke und schärfen das Gespür für das Gesamtpotenzial. Mitunter werde man auch desillusioniert, sagt Oppermann. Für die oft gepriesene Predictive Maintenance, also die vorausschauende Wartung von Maschinen mit Hilfe von Hinweisen aus dem Datenstrom, sind nach Ansicht von Experten in vielen Fällen die Analysen noch viel zu ungenau.

Menschen müssen den Maschinen noch beibringen, welche statistischen Zusammenhänge tatsächlich einen Fehler vorhersagen – und welche schlicht Zufall sind. „Den großen Marktdurchbruch werden wir erst sehen, wenn sich verbindliche Protokolle und Standards durchsetzen“, sagt Chiochia.

Die Handhabung hingegen ist schon heute bequem: Die meisten Programme helfen dabei, die gängigen Quellen in eine einheitliche Sprache zu übersetzen und oft auch grafisch aufzubereiten. Mit etwas Vorbereitung können so Mitarbeiter im Unternehmen gut mit den Analyseergebnissen arbeiten.

Auch Berndorf Band, ein österreichischer Hersteller von Transportbändern, plant jetzt sein Geschäft mit Hilfe eines neuen Business-Intelligence-Systems von Infor. Hier laufen Personal-, Produktions- und Finanzdaten zusammen.  Projektleiter Gerhard Worscha berichtet, dass früh Mitarbeiter aus anderen Abteilungen mit in die Auswahl des Systems einbezogen wurden. Nun findet das System auf breiter Basis Akzeptanz. Viele Mitarbeiter mit unterschiedlichen Berechtigungen greifen auf die Möglichkeiten des Programms zurück.

Ein IT-affiner Kollege habe sich in die Serversprache eingearbeitet und ein kleines Zusatzprogramm geschrieben, das ihm einen besseren Überblick über den Auftragsstand ermöglicht. „Wir werden das sicher weiterentwickeln“, sagt Worscha, „das ist schließlich ein sehr lebendiges System.“

Erschienen am 29. September 2015 im Handelsblatt.

Schreib einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind markiert *