Innovationsmanagement: Fahrplan für neue Ideen

Die Beumer Group, ein Sortieranlagenbauer aus Beckum, sammelt und ordnet gute Gedanken ganz strategisch. Manchmal werden sogar Maschinen daraus, zum Beispiel der „Parcel Picker“: Mit diesem halbautomatischen Paket-Entlader soll das bisher mühevolle Umpacken in Logistikbetrieben bis zu fünfmal schneller klappen. Und Mitarbeiter werden zugleich körperlich entlastet. Gut für den Rücken, gut für das Geschäft – so das Versprechen.

Mark Antonius Behler, Leiter des Innovationsmanagements bei Beumer, steuert den Neuerungsprozess. An allen Standorten sammeln „Idea Scouts“ erste Anregungen, darauf folgt eine Bewertung durch das strategische Produktmanagement. Ständig neue Produkte zu liefern, die den Stand der Technik definieren, sei das Ziel, erklärt Behler. Das erfordere „eine Reduzierung unserer Entwicklungszeiten auf ein Minimum“.

Der Druck auf den Mittelstand ist hoch: Durch die hohe Wettbewerbsintensität verkürzen sich vielerorts die Entwicklungszyklen. In einem globalen Vergleich der Innovationsfähigkeit, erstellt von der Unternehmensberatung A.T. Kearney, kam Deutschland nur auf den zwölften Rang. „Häufig werden Dinge in Deutschland erfunden, aber anderswo kommerzialisiert“, sagt Kai Engel, Leiter des globalen Kompetenzteams Innovation bei A.T. Kearney. Ein professionell aufgesetztes Innovationsmanagement – das keineswegs diesen Namen tragen muss – kann dabei helfen, aus zahlreichen Geistesblitzen möglichst viele neue Ideen zu destillieren, die auch Umsatz bringen.

Viele der „Hidden Champions“ im Maschinen- und Anlagenbau fuhren lange Zeit gut mit einem unstrukturierten Ansatz. Ideen kamen vom Inhaber oder von leitenden Angestellten und konnten schnell umgesetzt werden. Doch eine zukunftssichere Strategie ist das nicht unbedingt. Ein Generationswechsel oder auch starkes Wachstum machen oft neue Strukturen erforderlich.

Einen klaren Anreiz dafür setzen auch Förderprogramme wie das „Zentrale Innovationsprogramm Mittelstand“ des Bundeswirtschaftsministeriums. Unternehmen mit weniger als 500 Mitarbeitern können sich hier um Mittel aus einem Fördertopf bewerben, der bis 2019 über eine halbe Milliarde Euro schwer ist. Voraussetzung ist ein klarer Businessplan für jede Innovation, der mehrfach von externen Kontrolleuren überprüft wird. „Da geht es auch darum, den Finger in mögliche Wunden zu legen und Schwachpunkte in der Projektstruktur, bei den vorhandenen Kompetenzen und in der Projektabwicklung zu identifizieren“, sagt Gerhard Becker, Inhaber der IfB Unternehmensberatung.

Als gute Basis gilt: Möglichst viele Mitarbeiter im Betrieb sollten einen offenen Blick für neue Ideen haben. An das Thema Innovation sollten Mittelständler die Belegschaft gezielt heranführen. Auch helfen Projektmanagementmethoden wie etwa „Scrum“, in kurzen Schritten erste Ergebnisse zu erzielen und dabei trotzdem flexibel zu bleiben.

Experten empfehlen dabei, dass möglichst früh schon Ingenieure und Vertriebler im engen Austausch stehen. Wenn es die Kapazität erlaubt, können die Fäden strukturell in einer eigenen Position zusammenlaufen. „Ein Innovationsmanager sollte ein sozialer Architekt sein, der die Rahmenbedingungen gestaltet“, so formuliert es Hans-Gerd Servatius, der mit seiner Beratungsfirma Competivation zahlreiche Mittelständler begleitet.

Zur guten Innovationskultur zählt beim Logistikspezialisten Beumer auch Lob: So lädt das Innovationsmanagement regelmäßig die Mitarbeiter ein, stellt neu angemeldete Patente und Gebrauchsmuster vor – und würdigt dabei die Ideengeber.  Die Präsentation, berichtet Innovationsmanager Behler, komme intern einem „Ritterschlag“ gleich.

Heikler und komplexer wird die Aufgabe, wenn es um die Öffnung nach außen geht.  Zwar herrscht in einigen Verbänden oder Arbeitskreisen ein sehr detaillierter und vertrauensvoller Austausch, der bis zur gemeinsamen Finanzierung von Grundlagenforschung gehen kann. Doch sobald Firmen aus anderen Branchen ins Spiel kommen, gehen oft die Schutzzäune hoch.

Berater Becker beobachtet, dass an dieser Stelle noch lieber eigene Kompetenzen aufgebaut werden: „Die Firmen fühlen sich häufig in der Lage, die Projekte selbst umzusetzen – und sie wollen auch die Hoheit über den Projektablauf, zu entwickelnde Technologien und mögliche Schutzrechte behalten.“

Bei Themen wie der Digitalisierung stoßen Betriebe mit Einzelkämpfermentalität an ihre Grenzen. Schnell wird klar, dass ein einzelner Softwareentwickler nicht ausreicht. „Je mehr ich mich als Lösungsanbieter positioniere, desto mehr brauche ich ein Spektrum an Kompetenzen, die jenseits der klassischen Entwicklung liegt“, sagt Frank Piller, Professor für Technologie und Innovationsmanagement an der RWTH Aachen und Co-Geschäftsführer bei Competivation. „Die Balance für diese neue Öffnung zu finden fällt vielen Unternehmen noch sehr schwer.“ Helfen könne dabei die Kooperation mit einer Hochschule. Befruchtend sei auch die Zusammenarbeit mit jungen Unternehmen, die manche große Mittelständler bereits gezielt anstreben.

Erschienen am 15. Oktober 2015 im Handelsblatt.

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