Hier ein Mantelhaken im Intercity, dort ein Klemmenkasten unter dem Motorblock einer Lokomotive: Stück für Stück fahren in den Zügen der Deutschen Bahn Teile mit, die als Einzelanfertigung im sogenannten 3D-Druck entstanden sind. Seit vergangenem November beschäftigt sich der Konzern mit dem Verfahren – und hat es schon bei 200 verschiedenen Werkstücken genutzt. „Unser Ziel ist es aktuell vor allem, Ersatzteile zu drucken, an die wir sonst kaum rankommen“, sagt Stefanie Brickwede, die das Netzwerk 3D-Druck innerhalb des Konzerns koordiniert.
Das Engagement der Bahn unterstreicht: Additive Fertigungsverfahren kommen in der Praxis an. Lange Zeit wurden diese Methoden überwiegend für detailgetreue Prototypen eingesetzt. Jetzt bewährt sich der 3D-Druck auch im Rapid Manufacturing, also der schnellen Produktion von Teilen. „Es gibt ein enormes Interesse an dieser neuen Art zu fertigen“, sagt Stephan Kühr, Geschäftsführer der 3D-Druck-Plattform 3yourmind.
Mittelfristig könnten sich dadurch ganze Wertschöpfungsketten verändern – wenn etwa Ersatzteile nicht mehr vorproduziert werden, sondern bei Bedarf buchstäblich per Knopfdruck vor Ort entstehen. Insbesondere bei Zulieferern steigt der Druck daher gewaltig. Das zeigt eine Studie der Marktforscher von Gartner, die rund 250 weltweit tätige Zulieferer befragt haben. Ein Viertel von ihnen hat additive Fertigungsverfahren im Einsatz oder erprobt sie. Weitere 39 Prozent wollen das Verfahren in den nächsten zwei Jahren anwenden.
Noch wird um die beste Technologie gerungen. Je nach Verwendungszweck sind oft unterschiedliche Drucker notwendig – und noch kosten Geräte für den industriellen Einsatz schnell fünf- oder sechsstellige Summen. Spezialisierte Druckdienstleister bieten sich an für flexible Verfahrenstests. Die Unternehmensberater von Roland Berger prognostizieren, dass die direkten Kosten für den Druck in den kommenden Jahren etwa um ein Drittel sinken könnten. Auch die Deutsche Bahn lässt noch extern drucken. Zwar will man bald auch eigene Geräte anschaffen – die sollen aber im ersten Schritt dazu dienen, eigene Kompetenzen rund um das Thema aufzubauen.
Ob sich der 3D-Druck rechnet, ist stark vom Einzelfall abhängig. „Die Kosten sind bei großen Stückzahlen natürlich höher als in der klassischen Fertigung“, sagt Kühr. „Es wird dann interessant, wenn es um individualisierte Einzelteile geht.“
Erfreuliche Ergebnisse hat die Deutsche Bahn schon feststellen können: Eine handtellergroße Abdeckung an einer Waggonkupplung brach immer wieder an einer bestimmten Stelle und musste dann aufwendig ersetzt werden. Für den Ersatz aus dem 3D-Drucker verdickte das Unternehmen die bisherige Bruchstelle und kam zudem mit deutlich weniger Folgearbeiten aus – nach Angaben von Brickwede konnte so ein fünfstelliger Betrag eingespart werden. „Perspektivisch geht es darum, die Teile nicht nur nachzubauen, sondern auch zu verbessern oder Funktionen zu integrieren“, sagt Brickwede.
Um das zu verwirklichen, müssen Unternehmen auch tiefer in die Konstruktionsverfahren einsteigen. „Durch den 3D-Druck wird der Entwicklungsprozess mechanischer Bauteile dem von Software immer ähnlicher“, sagt Bernhard Langefeld, Partner bei Roland Berger. Relevant ist das besonders dort, wo das druckbare Material noch nicht dieselben Eigenschaften bieten kann wie bei konventionell produzierten Teilen: „Durch die Designfreiheit beim Konstruieren von Bauteilen können die oft minderen Materialbelastbarkeiten ausgeglichen werden“, sagt Kühr.
Um möglichst schnell zu lernen und neue Anwendungsmöglichkeiten für den 3D-Druck zu finden, tourt die Deutsche Bahn aktuell durch ihre Werkstätten. Geplant sind 1 000 gedruckte Teile für dieses Jahr. „Am besten funktioniert es, wenn man mit den Werkmeistern durch die Produktion geht“, sagt Brickwede. Gleichzeitig sucht man den Schulterschluss mit anderen Unternehmen und schaut sich nach Partnern für das Netzwerk „Mobility goes additive“ um, das im Herbst offiziell starten soll.